„One Light, echt jetzt?“. Ja. Im Ernst. Also Klappe zu, die fette Studioausrüstung wieder in den Keller geräumt, wir machen heute knackige Portraits mit wenig Aufwand: ein Speedlight muss reichen.
Dieser Artikel ist Teil der Serie „Das Heimstudio – Platz ist in der kleinsten Hütte“
- Baustrahler und Backpapier
- Platz ist in der kleinsten Hütte
- Portraits mit wenig Aufwand
- Das eigene Heimstudio
Unsere Fotografie artet mittlerweile immer mehr zu einer ausgewachsenen Technikschlacht aus. Ein Blick in die teils sehr hitzig geführten Diskussionen unter Fotografen in den geläufigen Foren und Facebook-Gruppen lässt die Taliban fast wie gemäßigte Kleingärtner aussehen. Wobei Kleingärtner bei der Frage nach der richtigen Teichpumpe auch schon mal in Wallung geraten können.
Unsere Knipsen hauen für immer mehr Geld immer mehr Pixel auf die (immer noch zu kleinen) Sensoren und Studiofotografen können quasi kein ordentliches Bild mehr zustande bringen, wenn sie nicht einen mindestens fünfstelligen Betrag in Form von Lampen ins Studio rollen dürfen. So glauben sie. Versuchen wir heute mal den „weniger ist manchmal mehr“ Ansatz und erstellen ein Portrait mit nur einem Licht.
Für unser Projekt hat die liebe Mandy sich freundlicherweise wieder als Model zur Verfügung gestellt – an dieser Stelle möchte ich ihr noch mal ausdrücklich für ihre Geduld danken, die sie in den letzten neun Jahren mit mir aufgebracht hat. Sie hat für fast alle meiner fotografischen Experimente geduldig bereit gestanden und scheinbar keinen bleibenden Schaden davon getragen.
Für die Dokumentation und Location-Bilder habe ich die Simulationssoftware für Fotografen und Filmemacher, set.a.light3D von elixxier Software verwendet. Wie man unschwer an der Simulation und dem finalen echten Foto erkennen kann, ist die Software sehr akkurat in der Simulation.
Ausstattung
Wir nehmen ein einfaches Speedlight für 50-60 Euronen vom Versender (plus noch mal 10-60 Euro für einen Auslöser, Kabel oder Funk, je nach Budget oder Gusto), dazu einen Schirm für 10 Schleifen, das billige Wackelstativ von Walimex (ca. 15 Euro) sowie einen „Schirmneiger“ für den Gegenwert von zwei ordentlichen Bier oder acht Kölsch um Blitz und Schirm auf’s Stativ zu bringen. Panzertape tut es auch zur Not. Sieht aber dann doch etwas unprofessionell aus. Aber so haben wir es in den 90ern gemacht. Kein Witz.
Wer hat, oder mag, kann noch einen Reflektor hinzufügen. Eine silberne Rettungsdecke, irgendwie glatt (!) auf Pappe oder Styropor geklebt, tut es übrigens auch wunderbar. Wobei allein eine weisse Styroporplatte schon einen hervorragenden Reflektor abgibt.
Die Shooting Location
Für unser Beispiel brauchen wir wirklich nicht viel Raum: das Licht kommt im Grundsetup hochfrontal direkt von vorne („Butterfly“). Wir brauchen also nur ein wenig Platz in der Breite, für Model und Hintergrund reicht ein Meter. Je nach Brennweite und gewünschtem Bildschnitt sind zwei Meter in der Tiefe schon genug. Wenn man, so wie ich, etwas fülliger ist, sollte man vielleicht ein wenig mehr Platz einplanen.
Rembrandt? Butterfly. Irgendwie
Mit einem Licht, kreativ eingesetzt, kann man schon sehr viel anfangen. Das Rembrandt-Licht ist sicherlich das bekannteste, und gerade hier hat man durch Veränderung der Licht- und Kameraachse sehr viele Optionen. Split, Loop und Butterfly sind am Ende auch nur Variationen.
In diesem Beispiel setzen wir ein Butterfly-Licht auf: danach benannt, das unter der Nase des Modells ein kleiner Schatten in Form eines Schmetterlings entsteht. Für unser Beispiel stelle ich mir eine helle, klare und knackige Variante vor, da ich mit Catchlights (die Reflektionen der Lichtquellen in den Augen) die Augen von unserem Model betonen möchte. Also füge ich noch einen Reflektor hinzu um die Schatten von unten aufzuhellen. Die Puristen unter Euch werden nun empört aufmerken das es nun kein One Light Setup mehr ist. Demnächst werde ich mit Schimpf und Schande aus dem Dorf getrieben. Oder geteert und gefedert. Vermutlich beides.
Das Setup
An die Wand habe ich ein Stück hellgraue Pappe, irgendwas um 80x100cm, geklebt. Das ist unser Hintergrund fürs Bild. Jede andere Farbe geht auch. Hauptsache keine Rauhfaser oder Badezimmerfliese. Das wirkt echt nicht. Glaubt mir, ich habs versucht.
Das Model stellen wir gut einen halben Meter davon entfernt auf. Warum ich das erwähne? Ihr könnt mit dem Abstand vom Model zum Hintergrund entscheiden, wie hell oder dunkel der Hintergrund werden soll. Je weiter weg, desto weniger Licht fällt auf die Pappe, umso dunkler wird diese. Anders herum wird’s dann bei abnehmenden Abstand heller. So kann man mit einem grauen Pappkarton einen weissen Hintergrund zaubern oder bis ins dunkelgraue oder gar schwarze gehen. Klever, oder? Ist aber nicht meine Idee gewesen, das nennt sich „Lichtabstandsgesetz“ oder neu-fotografisch „Inverse-Square Law“.
Jetzt der Blitz. Wir kneten die Funzel mit dem Neiger auf’s Stativ, dengeln den Schirm dran und fahren das Stativ vorsichtig hoch. Wie hoch? Hängt vom Model ab. Mandy ist mit ca 160cm eher handlich, da reicht es den Blitz auf gut zwei Meter zu bringen. Da müsst ihr für Euer Model individuell anpassen. Das ganze kommt dann direkt mittig vor’s Model, der Blitz mit dem Schirm wird auf ca. 45 Grad nach unten geneigt, der Abstand sollte so um einen Meter betragen. Fertig. Also der Blitz.
Ich hab, wie oben angekündigt, noch einen Reflektor hinzugefügt. Der wird ans Model herangeführt, so kurz oberhalb des Bauchnabels. Eine zusätzliche Hand ist hier hilfreich. Oft kann man das Model bitten den Reflektor zu halten, ansonsten nimmt man einen hohen Hocker. Oder hat zufällig noch ein Stativ mit passender Halterung zur Hand.
Durch den Reflektor wird das Motiv von unten angestrahlt und die Schatten so aufgehellt. Hier muss man ein wenig experimentieren mit der Blitzleistung „von oben“ und der Entfernung des Reflektors „von unten“.
Mit der richtigen Einstellung entsteht so ein leichtes, fast schon luftiges, Portrait, ganz ohne Schwere und Drama.
Ich lese immer Schirm? Es regnet selten in meiner Küche!
Schirme sind mit die preiswertesten Lichtformer in der Fotografie. Oft findet man sie in den billigen China-Licht-Kits aus dem Elektronikmarkt und sind aus diesem Grund, wie Kit-Objektive, verpönt. Zu unrecht, wie ich finde. Also die Schirme und aktuellen Kit-Objektive.
Schirme kommen im Grunde in zwei Varianten daher: als Durchlichtschirm (der Schirm ist zwischen Motiv und Blitz, das Licht geht durch den Schirm durch) und als Reflexschirm (der Blitz pfeffert seine Joules in die reflektierende Schicht des Schirmes, welcher dann das Licht zurück auf das Model wirft). Natürlich gibt es noch Varianten, sonst wäre es ja auch zu einfach. Aber die ignorieren wir heute mal.
Die wesentlichen Unterschiede sind: der Durchlichtschirm erzeugt mehr Streulicht, da das Licht wirklich komplett einmal durch den Raum geworfen wird. Der Reflexschirm bündelt das Licht etwas mehr, streut aber immer noch wie die Schrotflinte von Sylvester Stalone in Rambo. Wer auf beengtem Raum fotografiert wird mit beiden Lichtformern nicht unbedingt filigrane Schatten erzeugen können. Das gilt zu beachten.
Die Lichtqualität (die „Weichheit“ der Schattenverläufe auf dem Motiv) ist bei beiden Schirmen am Ende recht ähnlich. Wer die Wahl hat, sollte sich meiner bescheidenen Meinung nach für den nur unwesentlich teueren Reflexschirm entscheiden. Bei den Reflexschirmen gibt es unterschiedliche Oberflächen: neutrales Weiss, ein eher kühles und kräftiges Silber sowie warmes Gold. Mit einer weissen Bespannung ist man am flexibelsten, eine Goldene zaubert selbst auf meiner blau-blassen Haut noch den Teint eines Mallorca-Urlaubers der nach sechs Eimern Sangria am Strand eingeschlafen ist.
Im Regen stehen gelassen? Ich habe keinen Schirm!
Auch wenn man keinen Schirm zur Hand hat, bestehen durchaus noch Optionen. Zum einen kann man den Blitz direkt aufs Model richten. Das erfordert Mut. Dieser Paparazzi-Look steht nicht jedem, kann aber durchaus seinen Reiz haben. Das Bild wird an Dramatik kaum zu übertreffen sein. Nicht ganz das, was wir heute erreichen wollen.
Wie bekommen wir das Licht nun weicher? Weiches Licht entsteht, vereinfacht ausgedrückt, durch die relative Größe der Lichtquelle zum Motiv. Lichtformer tun ja nichts anderes: sie fächern das Licht auf und erweitern im einfachsten Fall die Abstrahlfläche. Mal mehr oder weniger kräftig. Dazu kommen wir ein anderes Mal.
Ein einfacher Lichtformer ist eine einfache helle, am besten weisse, Wand. Jup. So simpel. Wir nehmen unseren Lichtwerfer, stellen ihn vor eine Mauer und blitzen diese dann eben halt direkt an. Das Licht wird auf das Model zurückgeworfen und Voilà: weiches Licht. Sehr weich sogar. Fertig ist das Setup Typ „Studentenbude“.
Jetzt müssen wir ein wenig spielen mit dem Abstand vom Blitz zur Wand (und dem Winkel zur Decke) und dem Model zur Wand (welche ja jetzt unsere Lichtquelle ist). Damit erreichen wir zwar nicht mehr ganz das ursprünglich gewünschte Ergebnis, bekommen aber immer noch brauchbare Pixel auf den Sensor gebannt. Probiert es mal aus!
Und nun?
Jetzt haben wir das Rüstzeug für schöne Portraits mit wenig Aufwand auch in kleineren Räumen. Wer eine Fläche von 3 x 3 Metern hat (welch Luxus!), mit einem Stück freie Wand auf der einen Seite, kann schon sehr viel erreichen. Man muss sich nur trauen.
In diesem Sinne: bis zum nächsten Artikel „Wie leuchte ich Motorräder und Pferde in meinem Wohnzimmerstudio aus“
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