Über Jahre hinweg habe ich unser Wohn- bzw. Esszimmer für meine Fotoshootings zum Heimstudio umgebaut. Das ist sicherlich nicht ideal, aber es ist immer wieder erstaunlich, was alles möglich ist, wenn man hier und da um die Ecke denkt. Platz ist in der kleinsten Hütte!

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Das Heimstudio – Platz ist in der kleinsten Hütte“

  1. Baustrahler und Backpapier
  2. Platz ist in der kleinsten Hütte
  3. Portraits mit wenig Aufwand
  4. Das eigene Heimstudio

Natürlich ist ein großes Fotostudio mit hunderten von Quadratmetern Fläche und Deckenhöhen von 4 bis 5 Metern perfekt, aber für Hobbyisten und Amateure meist weit ausserhalb des Budgets. Oft bleibt einem nur der Gang ins Mietstudio oder eine clevere Heimstudio-Lösung für die eigene Wohnung.

Nach meiner Auswanderung stand ich der Tatsache gegenüber, das in der Region, in der ich lebe, keine Miet-Fotostudios verfügbar waren. Die wenigen existierenden Fotostudios im näheren Umkreis wurden von ihren Eignern exklusiv oder schlicht gar nicht mehr genutzt, geschweige denn gepflegt. Also brauchte ich eine eigene Lösung.

Das Anmieten von passenden Räumlichkeiten stand nicht zur Debatte, meine Liebste (die ja bekanntlich die beste Frau der Welt ist) hätte da nicht mitgespielt. Also wanderte ich durch unser Reihenhaus, auf der Suche nach einem passenden Fleckchen. Ich wurde fündig und konnte loslegen.

In diesem Beitrag möchte ich versuchen, Euch ein paar Optionen für die Heimstudio-Fotografie aufzuzeigen. Ihr werdet Euch wundern, denn oft braucht es nicht viel.

Anmerkung: Die 3D Grafiken / Raumübersichten habe ich mit set.a.light3D, einer Studio- und Lichtsimulations-Software für Fotografen, erstellt. Die Maßstäbe sind verbindlich und Lichteinstellungen, inkl. Streuungen, sind sehr realitätsnah.

Wieviel Platz brauche ich denn eigentlich?

Stellt diese Frage doch mal in einem Fotoforum und wartet ein paar Tage ab. Die Meinungen zu diesem Thema gehen, wie Vieles in der Fotografie, weit auseinander. Stichwort „Wieviel Blitzleistung brauche ich“ oder „Welches Objektiv ist das Richtige?“ Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Ich habe übrigens eine ganz einfache Antwort auf die Frage: soviel Platz wie Du eben hast. Nicht mehr und nicht weniger. Es gilt mit dem verfügbaren Platz intelligent umzugehen und ihn kreativ zu nutzen. Dem finalen Foto sieht man nicht an wo und wie es entstanden ist. Also los, keine Scheu!

Mein Tipp: wenn man auf beengtem Raum fotografiert, spielen viele Faktoren eine Rolle. Aus Sicherheitsgründen empfehle ich immer batteriebetriebene Leuchten (LED, Aufsteck- oder Kompaktblitz). Das reduziert die Anzahl Kabel über die man stolpern kann 🙃.

Die Portrait-Ecke

In so gut wie jedem Heim, egal ob Studentenbude oder Einfamilienhaus, findet sich immer irgendwo ein kleines Stück freie Wand. Der Platz muss nicht viel breiter als 50-60 Zentimeter sein und mit zwei Metern Raum davor – selbst die Fläche vor einer Tür geht! Das reicht für Model und Fotograf um schöne Portraits zu zaubern, bei Brennweiten bis 50mm kann man auch noch den Oberkörper fotografieren.

Anmerkung: Wenn man blitzt, spielt die Raumbeleuchtung, z.B. durch große Fenster wie unten im Beispiel, kaum eine Rolle. Durch die Kameraeinstellungen (ƒ8, 1/250sec, ISO 100) wird das Umgebungslicht nahezu vollständig ausgeblendet.

Kleine Portraitecke im Wohnzimmer, ca. 80cm breit, 2 Meter tief

Da die deutsche Rauhfasertapete nicht zu den schönsten Hintergründen zählt, kann man im Bastelgeschäft weisse, schwarze oder farbige Pappbögen im Format DIN A2 kaufen. Zwei Bögen werden einfach mit wieder ablösbaren Fotoecken an der Wand befestigt, fertig. Unter Umständen muss man im Photoshop noch die Kanten zwischen den Bögen wegstempeln, aber das ist schnell gemacht.

Anmerkung: bei solchen knappen Umgebungen spielt die Farbe der umgebenden Gegenstände, Wände und Tapeten eine große Rolle. Das Licht wird entsprechend farbig reflektiert und sorgt unter Umständen für eine Tonung im Bild. Also je einfarbiger das Umfeld, desto besser! Und vielleicht sollte man nicht gerade in einem kanariengelben oder ziegelroten Raum fotografieren. Aber auch hier gilt: man kann im Photoshop immer noch etwas korrigieren.

Das Wohnzimmerstudio

Das Wohnzimmer steht hier stellvertretend für die temporäre Nutzung eines Raumes, das kann durchaus auch ein Gästezimmer sein oder die Küche. Wichtig ist nur, das man die Möbel einfach beiseite schieben kann um so mehr Fläche zu gewinnen. Das heimische Schlafzimmer mit einem Doppelbett ist also vermutlich eher ungeeignet.

Ich habe lange Jahre im Esszimmer fotografiert. Je nach Anforderung oder Bildidee reichte es meist schon den Esstisch beiseite zu schieben oder, wenn es aufwendiger wurde, ihn ins Wohnzimmer zu tragen. Das war durchaus eine Herausforderung, da der Tisch aus Massivholz ist und er über eine kleine Mauer gehoben werden muss 😫😂

Wenn man also bereit ist etwas Mehraufwand zu betreiben, dann kann man wirklich schöne Ergebnisse in diesem temporären Heimstudio erzielen. Je nach verfügbarem Raum sind selbst komplexere Lichtsetups mit zwei oder gar drei Lichtern möglich.

Hintergrundsysteme.

Ich habe damals für meine Zwecke zwei preiswerte Hintergrundsysteme angeschafft. Für kleine Settings, bei denen ich nur den Tisch beiseite schiebe, verwende ich meist Falthintergründe von Walimex oder Lastolite in verschiedenen Farben und ein einfaches Lampenstativ mit einer Klammer.

Das Ganze ist in weniger als fünf Minuten aufgebaut und einsatzbereit. Diese Falthintergründe gibt es in verschiedenen Größen von 90cm bis 150cm Breite und Höhen bis zu 220cm. Das reicht locker für ein Ganzkörperfoto, wenn man die Raumtiefe hat.

Esszimmerstudio, verfügbare Fläche ca. 2.5 Meter Breite x 3,5 Meter Tiefe, mit kleinem Falthintergund 90x180cm, und zwei Lichter

Für aufwendigere Sets kommt ein Hintergrundsystem von Neewer zum Einsatz. Es besteht aus zwei größeren Lampenstativen sowie einer Querstange, an der dann die Hintergründe befestigt werden. Für sehr wenig Geld gibt es schon verschiedenfarbige Stoffe oder Papierhintergründe, die man auf dann auf 3 oder 4 Meter ausrollen kann. So erzielt man professionelle „nahtlose“ Hintergründe wie man sie von der Modefotografie gewohnt ist. Natürlich ist der Aufwand beim Aufbau etwas höher als mit dem Falthintergrund aber immer noch in wenigen Minuten zu bewältigen. Dafür hat man aber auch viel mehr Optionen.

Esszimmerstudio, alle Möbel entfernt, ca. 3,50 Meter Breite und 4 Meter Tiefe. Hintergrund 2,40m x 5 Meter, drei Lichter.
Und in der Praxis?

Lässt man mal aussen vor das man sein Heimstudio im Wohnzimmer aufgebaut hat, kann man so ziemlich professionelle Ergebnisse erzielen. Ich kenne einige (Berufs-) Fotografen die ausschliesslich so arbeiten!

Die obigen Vorschläge entstanden aus meiner eigenen Platzsituation heraus, lassen sich aber relativ einfach an die eigenen Verhältnisse anpassen lassen. Ihr findet hier im Blog ein paar Beiträge rund um Fotosessions die ich in meinem Wohnzimmerstudio geschossen habe, vielleicht findet ihr ja den ein oder anderen Denkanstoß für Euer Heimstudio?

Vom Esszimmer zum Fotostudio in wenigen Minuten

In einem der nächsten Beiträge berichte ich Euch vom „Umbau'“ meines Gästezimmers in ein permanentes Fotostudio, welches sich auch wieder aber schnell abbauen lässt.

Also: Platz ist in der kleinsten Hütte.