Es ist soweit: der lange erwartete „Kampf der Spiegellosen“ hat seinen Auftakt gefunden. Canon und Nikon haben im September endlich ihre ersten Mirrorless Vollformat-Kameras vorgestellt und die Boliden in das Krisengebiet geschickt um dort Fuji, Olympus und vor allem Platzhirsch Sony das fürchten zu lehren.

Wer meinen Blog liest, mir auf Twitter oder Instagram folgt, weiss das ich leidenschaftlicher Olympus-Fotograf bin und der Meinung bin, dass der Spiegelkasten ausgedient hat. Ich habe zwar nicht vor das System zu wechseln, aber als technischer Interessierter schaue ich schon gern über den Tellerrand, und eine Sony Vollformat mit einem Zeis Batis hat schon seinen Reiz für mich. Und nun kommen endlich Canon und Nikon und betreten die für mich so interessante spiegellose Bühne. Ich liebe das Konzept „Konkurrenz belebt das Geschäft“ und ich war sehr gespannt was diese beiden Urgesteine der Fotografie aus dem Hut zaubern. Sony mit der A7 und A9 ist der Benchmark für starke Vollformatkameras und Fuji und Olympus / Panasonic haben in ihren Segmenten hervorragende Kameras etabliert. Und über das Leica SL System und die Hasselblad X1D werden nur wenig Worte der Kritik laut.

Kampf der Spiegellosen?

Nein! Wer jetzt mit dem Erscheinen der Canon EOS R- und Nikon Z-Serie den großen Impact erwartet hat, wird vermutlich enttäuscht sein. Und wenn ich so andere Blogs lese und YouTuber sehe, dann bin ich mir nicht sicher, was die Fotografen da draussen eigentlich erwartet haben. Alle stellen sie die gleiche Frage:  „Werden diese neuen Kameras Fotografen davon abhalten, auf Sony zu wechseln?“ Und geben gleichzeitig die Antwort „Nein, denn sie machen es ja nicht besser als Sony, sie liefern nicht den Sony-Killer“. Und eben darum geht es Canon und Nikon. Sie haben verstanden das ein Teil der Kundschaft eine spiegellose Kamera sucht, und Canon und Nikon brauchen keine bessere Kamera als eine Sony A7 oder A9 zu liefern.

Canon und Nikon brauchen nur eine gute Alternative mit dem eigenen Namen drauf, dazu gibt ein neues Objektiv-Bajonett welches in naher Zukunft für ein paar neue und tolle Linsenkonstruktionen gut sein dürfte. Von Haus aus wird ein Adapter für die existierenden Gläser mitgeliefert oder gegen geringen Aufpreis angeboten. Das reicht völlig aus um die Kunden im eigenen Lager zu halten und bestehende Investitionen zu schützen.

Als Nikon die Z6 und Z7 vorstellte, war Aufschrei der Techblogger und YouTuber groß, die Pre-Sales Geräte wurden in der Luft zerrissen, egal ob man die Kamera selbst in der Hand halten durfte oder nur die Berichte anderer Blogger aufbereitet hat. Was gab es für ein Gezeter über die Akku-Kapazität der Z7. Nur 330 Bilder pro Akkuladung?! Das diese absurd geringe Leistungsangabe nur eine falsche Angabe auf irgendeiner Webseite war, spielt da keine Rolle mehr. Skandal! Und mal so am Rande: bei den Speicherkartenpreisen, die für die QXD der Z6 und Z7 aufgerufen werden, sind zwei oder drei Ersatz-Akkus wohl kein Thema. Und niemand, der ernsthaft mit einer Kamera umgeht, wird keinen Ersatz-Akku in der Tasche haben. Apropos Speicherkarten: Nikon entschied sich für nur einen Slot. Unglaublich. „Profis werden NIEMALS mit nur einem Slot arbeiten“ wurden die Rufe laut. Gut das Sony den zweiten Slot nach drei Generationen nachgerüstet hat!

Und die neue Canon EOS R? „Canon screwed it again!“ las man. Die Blogger und Experten da draußen haben sich in der Vergangenheit schon darüber aufgeregt das die 5D Mark IV und 6D Mark II nicht die Modelle waren, die sie erwartet haben. Und dann das: Canon liefert mit dem R-System „nur“ eine spiegellose Version der 5D Mark IV! Warum eigentlich „nur“? Die 5D ist und bleibt ein solides Arbeitsgerät. Und jetzt gibt es eine spiegellose Option. „Endlich“ will man da rufen.

Blödsinn.

Es gibt keinen „Kampf der Spiegellosen“. Das ist hausgemachte Hysterie und Attention Seeking von irgendwelchen technischen Autoren und anderen Fachleuten da draussen. Während Fuji und Olympus/Panasonic mit ihrem Line Up ihre Märkte bedienen, haben Sony und Leica mit ihren Vollformat-Kameras bewiesen das Amateure und Profis spiegellose Alternativen finden können.

Canon und Nikon runden ihr Angebot mit den neuen Systemen ab, sie bieten endlich eine Option für die eigene Kundenbasis die mit einem Auge vielleicht darauf schielen, den Spiegelkasten in Rente zu schicken oder zumindest einen hochwertigen und kompakten Body mit in die Kameratasche zu packen. Weder Canon noch Nikon haben ein Interesse daran, ihre eigenen DSLR Flagschiffe in Rente zu schicken.

Ich erwarte von Canon und Nikon eine behutsame Produktpflege, immer einen Schritt hinter Sony, die einfach einen Vorsprung haben und den sie vermutlich noch weiter ausbauen werden. Und das ist gut so. Damit bleibt dem interessierten Fotograf die Option etwas innovatives anzuschaffen oder doch eher konservativ zu kaufen.