Bisher konnte ich mich ganz gut vor den Elternabenden drücken. Doch eine unglückliche Fügung (eine Kombination aus „Weltfrauentag“ und „Mist, kein Präsent gekauft“) nahm mich in die Pflicht.

Ehe ich mich versah, fand ich mich auf dem nach Bohnerwachs riechenden Schulflur wieder. Auf den Lehrer wartend, damit er die Tür aufschließt, stehe ich umringt von gut 26 Frauen.

Dies hier ist die Chronik des Grauens.

19:39 Das ist mir auch noch nie passiert: zu früh in der Schule.

19:53 Ich. Will. Hier. Weg. (Kein Wunder das soviele Kinder sozial-inkompatibel sind. Bei DEN Eltern)

20:02 Der Klassenlehrer eröffnet den Abend. Mit den Worten „Ich will mich auch nicht so weit fassen, dann dauert es nicht so lang“ schürt er sofort Misstrauen in mir.

20:18 Die Mathelehrerin ist nach eigenen Worten „ja so aufgewühlt“. Na, da zählen wir mal eins und eins zusammen.

20:27 Jetzt klopft die Deutschlehrerin. „Wolle mer se reinlasse? Narhallamarsch!“

20:29 Abgang Mathelehrerin. Und alle stimmen mit ein: „Die Karawane zieht weiter…“

20:32 Oh, die Mathetante ist noch nicht fertig. Gut Gruppenkuscheln mit drei Lehrern. Thema aber verfehlt.

20:35 Merke. Lehrer sind immer noch unfehlbar. Und die Kinder echt gemeingefährliche Rabauken. Quasi Terroristen. Alles wie früher.

20:40 Finale Mathe. Jetzt die heiligen drei Könige von der Obetstufe mit den Projekttagen. Wo ist mein Schnapps?

20:43 Der Klassenlehrer: „Ich habe früher schon Projekttage gemacht, zum Beispiel über die Beatles.“ … „Wie gesagt, das ist schon länger her.“

20:46 Jetzt wird gebettelt. Wie in der Kirche geht nun der Klingelbeutel rum. Direkt im Anschluss dann die Ansage „…es ist noch viel Geld in der Klassengeldkasse…“

20:52 Wann ist bei so einem Elternabend Halbzeit? Und warum gibt es keine Werbeunterbrechungen?

20:57 Liebe Kinder. Twittern aus dem Klassenraum dürfen nur Erwachsene und nur beim Elternabend. Nicht das es hier den falschen Eindruck gibt.

20:58 Thema jetzt: Mobbing. Nicht der Kinder untereinander. Sondern die Lehrer. Und die Eltern.

21:01 Von den hinteren Bänken zeugt leises Schnarchen von der Begeisterung für die Vorstellung des Leerkörpers. Ich öffne ploppend eine Flasche Flensburger

21:02 Die ersten Frauen packen das Manikürset aus und beginnen sich die Nägel zu feilen.

21:08 Der Klassenlehrer läutet das Finale ein. Nur 8 Minuten Nachspielzeit bisher. Ich beginne leise zu applaudieren. Des Nachdrucks wegen.

21:10 Bitte jetzt keine Zwischenfragen mehr. Ich will hier raus. Aber Pronto!

21:13 Okay. Dann noch statistische Fragen: „In welchen Fächern wurden am meisten Hausaufgaben vergessen?“ (Wonach wird sortiert? Und die Auswertung als Pivottabelle?)

21:16 Wie bitte? Jetzt noch „freie Diskussion“? Was war das bisher? Ein Musical? Das Ohnesorg-Theater?

21:17 Mist. Es gibt keine Häppchen mehr.

21:19 Wir brauchen einen Lehrerabend. Wo die Eltern therapiert werden. Unfassbar.

21:21 20 Minuten Verlängerung. Die Verteidigung lässt nach. Ich kann diese eine Mutter langsam nicht mehr hören. Abenteuer Elternabend.

21:34 In dieser Klasse wurde scheinbar „Der Untergang“ gedreht. Keine Perspektiven.

21:24 Abdankung. Jetzt.

21:26 Ich hau hier jetzt ab. Brauche normale Menschen um mich herum. So ein Elternabend ist der blanke Horror. Dann doch lieber die Steuerklärung machen.

21:27 Was, die haben hier einen Coffeeshop? Und das sagt mir niemand? Oh. Verstehe. Kakao, Kekse und Kaffee.

21:33 Ich habe meine Jacke schon an. Wir können jetzt aufhören. Eine Ende finden. Beenden.

21:35 „Danke. Und dann habe ich da noch eine Mitteilung vom Religionslehrer…“ Ich werfe jetzt einen Stuhl nach vorne. Subtiler geht gerade nicht mehr.

21:39 Raus. Hier. Jetzt. ENDE