Ich sitze im Flieger, starre auf den Bildschirm über mir und folge dem tonlosen Programm. Dabei ertappe ich mich wie ich mir ausmale wie wohl meine Timeline das Geschehen in maximal 140 Zeichen kommentieren würde. Im Moment läuft eine prähistorishe Folge „Friends“ und vermutlich werden die Möbel, die Frisuren und die „schicken“ Klamotten der späten 90er die am meisten diskutierten Punkte sein. Das endsprechende Hashtag dürfte #friends oder ein nerdiges #fnds sein. Leben im Kontext des „Lattenzauns“.

Mein Sitznachbar quittiert mein amüsiertes Grinsen mit einem verständnislosen Blick und widmet sich wieder seiner Stuttgarter Allgemeinen um veraltete Nachrichten zu lesen welche schon seit Tagen auf den Webseiten der Nachrichtenmagazine in Zweit- oder Drittverwertung zu finden sind. Die frisch verstorbene Betty Ford (bis dato wusste ich nicht das sie überhaupt noch lebt) hat immerhin eine Doppelseite bekommen, inklusive der Meinungen vieler Prominenter die dereinst die Hilfe von Frau Fords Klinik in Anspruch nahmen. In mir keimt der Verdacht auf das ganz Hollywood mehr als nur einmal diese Klinik besucht hat. Aus Gründen.

Das man bunte Gesichter sieht muss nicht zwangsläufig an dem Drogenkonsum liegen, den Betty Ford zu heilen so bestrebt war. Ein Twitterflashmob mit dem bezeichnenden Hashtag #onrie kann ebenfalls für LSD-gleiche Effekte sorgen. Zumindest wenn man über sein mobiles Datenverarbeitungsgerät twittert. Tausende von Nutzern haben ihre Avatare auf den gleichen grell-bunten Hintergrund des Nutzers Onrie gestellt. Dieser war sich seiner Berühmtheit anfangs gar nicht bewusst und eine schöne Collage kam auch dabei herum. Positiver Nebeneffekt: altbackene und langweilige gewordene Avatare wurden entsorgt und so kam ein wenig neue – teilweise auch erotische – Spannung in die Timeline.

Apropos Hashtags und Timeline. In den letzten Wochen kam es vermehrt zu spontanen Selbstlöschungen. Dieses von mir Twuizid getaufte Verhalten trat plötzlich und fast immer ohne vorherige Anzeichen auf. Nutzer mit hoher Reputation und ausgedehnten Netzwerken löschten sich genau so spontan wie Nutzer die Konflikten im sozialen Netz nicht mehr aus dem Weg gehen konnten oder wollten. Um ehrlich zu sein: einigen Erst- und Zweitaccounts trauere ich nicht nach. Leider hat der von mir hochgeschätzte Twitterer und Buchauthor Jan-Uwe Fitz (@Vergraemer) ebenfalls die Reissleine gezogen und seinen Facebook-Account und Blog gelöscht. Damit setzt sich das Blogsterben, welches ich eigentlich eher für ein Sommerphänomen gehalten habe, weiter fort. Um so mehr freut es mich, das Unikate wie Veneficias aus der Facebook-Versenkung auftauchen und vermehrt twittern und bloggen. Die spitze und nicht immer sozialverträgliche Zunge ist definitiv ein Lesetipp!

Wer am Wochenende noch ohne Einladung dastand war definitiv nicht cool genug für DIE große Release-Party. Und dabei ging es nicht um Madonna oder Lady Gaga, auch wenn sich viele wie ebensolche benahmen um eine der begehrten Einladungen in einen Google+ Zirkel zu bekommen. Teilweise gehandelt wie bares Gold wurde getwittert wie verrückt wer endlich drin war oder gebettelt wer rein wollte. Am Ende steckte man in einem System das Facebook nicht unähnlich ist und fragte sich: was nun? Ach so. Ich bin auch da. Mein Dank geht an Laura welche Erbarmen hatte und mich eingeladen hat. Ich rede mir ein das Katzenhalter einfach zusammenhalten. Mitleid als Erklärung könnte ich nicht ertragen.

Und sonst noch? Eine Woche Urlaub, zwei kranke Recken, einen wunderbaren Theaterabend mit Woody Allen und einer schönen Frau, leckeres Fondue und Kilkenny in sehr angenehmer Begleitung und ein herrliches Wellnesserlebnis.