Vor mir steht eine kleine Flasche Piper-Heidsieck. Der Champagner perlt im Becher munter vor sich hin und während wir in zehntausend Metern Höhe über die Balearen hinweg gleiten sinne ich über die Frage meines Sitznachbarn nach. „Warum Andalusien?“

Im Laufe des gut dreistündigen Fluges von Baden Baden nach Malaga – ich hatte die Woche über beruflich in Deutschland zu tun – kommt man schon mal mit dem ein oder anderen Fluggast ins Gespräch. Meist sind es Urlauber die sich auf den Höhepunkt ihres Jahres, 3 Wochen Palma de Mallorca oder 2 Wochen Golf an der Costa del Sol, vorbereiten. Mit Tomatensaft oder der klassischen Bloody Mary – wenn man denn um halb sechs den Vorstadtspiesser ablegen kann und entsprechend Mut findet.

Die immer wieder gern gestellte Frage „Und wo geht es für Sie hin?“ beantworte ich dann meist (sofern ich in Gesprächslaune bin) lakonisch mit einem „nach Hause“. Verblüfft schaut mich mein Sitznachbar von 8B an und bittet um Erklärung. So auch heute. Nach den einleitenden Worten meinerseits das ich meinen Lebensmittelpunkt ursprünglich berufsbedingt aber dennoch sehr gern nach Spanien bzw. Gibraltar verlegt habe, fragt man mich „Warum Andalusien?“ Spontan bleibe ich eine Antwort schuldig.

Mittlerweile hat die 8B die zweite Bloody Mary der Unschuld überführt und das Kabinenlicht abgedunkelt. Leichtes Schnarchen vom Nebensitz verkündet von der Glückseeligkeit über den Wolken. Derweil sinne ich über die Frage nach. Warum habe ich mich für Andalusien entschieden, die Costa del Sol, für Gibraltar? War es nur das Jobangebot an sich oder schlicht der latente Wunsch Deutschland verlassen zu wollen?

Vor nun fast vier Jahren landete ich zum ersten mal in Malaga. Es war Mai und ich wurde zu meinem Vorstellungsgespräch eingeladen. Terminal 2, „Pablo Picasso“, ein Betonbau aus den 60er Jahren dem selbst das Berliner Kultdrehkreuz Tempelhof an Tristesse nicht das Wasser reichen kann. Durch das Gewühl der Frühbucher quält man sich zum Ausgang wo ich von einem freundlichen Spanier in Empfang genommen werde. In einen weissen Kombi verfrachtet geht es stumm – er spricht weder englisch noch deutsch und ich schon gar kein spanisch – über ein paar Autobahnen Richtung Stadtgrenze. Heute gehört José zu einem meiner liebsten Gesprächspartner auf der Fahrt von und nach Malaga – ein paar Fetzen englisch und spanisch reichen für eine angeregte Unterhaltung.

Der Fahrer lenkt den Wagen über eine Talausfahrt durch die Hügel und zum ersten mal sehe ich das lebendige Funkeln der Sonne auf den Wellen. Das Meer, zum greifen nah. Wir fahren durch die sattgrünen Hänge des andalusischen Frühlings, immer in Sichtweite des Meeres, oft nur wenige Meter neben uns und nur durch eine Bordsteinkante oder Leitplanke getrennt. Das salzige Aroma des Wassers dringt durch das halboffene Fenster und ich merke wie ich mich entspanne. Ich komme an. Gute 40 Minuten später halten wir vor dem Grenzübergang nach Gibraltar, ich greife meine Tasche und laufe gut gelaunt durch die Passkontrollen und lande in einer völlig neuen Welt. Diese Enklave, eine Mischung aus britischer Contenance und spanischer Lebensfreude (und auch Gelassenheit, wie ich später noch feststellen werde) nimmt mich sofort gefangen. Der Bobby, mir wohlbekannt von meinen unzähligen London-Auffenthalten, unter einer Palme, vor einer der typischen roten Telefonzellen. Ein Anblick für sich.

Beim Job werden wir uns schnell einig und schon bald packe ich meine Siebensachen und ziehe nach Gibraltar. Die kommenden Wochen und Monate auf dem Felsen sind spannend, aufregend. Neue Menschen, neue Kulturen und neue Interaktionen prasseln auf mich ein. Niemals sah ich Europäer aller Glaubensarten so in Harmonie miteinander leben. Wer am Sonntag um sechs Uhr nachmittags durch die Cafés der Main Street geht, wird verstehen was ich meine wenn er Muslime in traditioneller Kluft zusammen mit Juden, Indern und Spaniern an einem Tisch versammelt vorfindet. Und das ist hier schon seit Jahrhunderten so.

Im Laufe der Zeit verbringe ich immer mehr die Wochenenden im spanischen Hinterland (z.B. in Ronda, Casares) oder in den Hafenstädten der Südküste (Estepona, Tarifa, Cadiz) und als ich einen Wohnungswechsel ins Auge fasse, liegt recht schnell auf der Hand das ich „rüber mache“ um in Spanien zu wohnen und zu leben. Die spanische Gelassenheit – welche einen auch schon mal zur Weißglut bringen kann – aber auch Lebensfreude, die Ruhe, das Meer, der herrliche Ausblick, die Nachbarschaft, die Umgebung, der Duft der Olivenhaine, das würzige Aroma der Pinienwälder, das satte grün der Hügel oder die karge Schönheit der Berge…

Aber seht selbst.
Darum Andalusien!