Der Weichnachtsbaum
Des Deutschen liebster Brauch zur Weihnachtszeit ist – neben dem gemeinschaftlichen Verzehr verkohlter Bratwürste in Naturmdarm und dem trinken von erhitzten alkoholisierten Weinsurrogaten – das aufstellen immergrüner Pflanzen im Wohnzimmer um sie anschliessend mit allerlei Buntem und glitzernden Zierrat zu behängen. Richtig. Die Rede ist vom Weihnachtsbaum.
Bei winterlichen 10 bis 18 Plusgraden liegt der entwurzelte Vertreter der nordischen Nadelhölzer eng zusammengebunden auf dem Balkon und harrt der Dinge die da kommen. Vor einigen Tagen wurde er aus einer Schar gleichartiger Artgenossen zu einem jährlich steigenden horrenden Preis einem der Fachverkäufer abgekauft die ihre Claims mit Bauzäunen vom normalen Stadtgeschehen abstecken. Die Preisgestaltung und das Auftreten der verschiedenen Anbieter lässt allerdings vermuten das sie alle einer gemeinsamen Weihnachtsbaummafia angehören deren erklärtes ziel der Ruin des Weihnachtswilligen ist. Zähneknirschend blättert man dem Verkäufer den Gegenwert eines moderaten Kleinwagens in die aufgehaltene Hand („Wo hat der eigentlich seinen Tresor im Bauwagen versteckt?“) und zieht mit seinem erwählten Stamm von dannen.
Am Tag vor Heiligabend beginnt – irgendeiner Tradition folgend deren Ursprung längst vergessen ist – das Ritual „des Baum schmückens“ (nicht zu verwechseln mit dem Ritual „des Baum drückens“ und dem Brauch „des sich verdrückens“). Unser Protagonist wird in das Wohnzimmer gezerrt und von seiner Knebelung befreit. Aus Protest ob dieser ersten groben Behandlung verliert dieser dann auch gleich seine ersten Nadeln.
Traditionell ist der Baum natürlich deutlich zu groß für die Wohnung. Wie soll man auch nach all den Jahren das Wohnzimmer von der Größe und Höhe her abschätzen können? Nun, der gewiefte Baumaufsteller hat stets eine Kettensäge oder Spaltaxt im Wohnzimmerschrank bereit liegen und kürzt die Tanne flux um den ein oder anderen Meter auf eine Wohnzimmerdecken-freundliche Höhe ein.<br clear=“all“/>
Wer kennt nicht den Ausdruck „unser Baum strahlt“? Um diesem Ausdruck Nachdruck zu verleihen muss unser Vertreter der dänischen Import-Nordmanntanne erst einmal mit der – wie immer – viel zu kurzen Lichterkette behangen werden. Neben der logistischen Höchstleistung eine 120cm lange Lichterkette („Sind eigentlich alle Birnchen in Ordnung, heute können wir keine Ersatzfunzeln mehr kaufen?“) um einen 200cm langen Baum zu hängen, droht stets die Gefahr das der Anschluß für den lichtspendenden Strom plötzlich nicht mehr in Reichweite ist („War die Steckdose letztes Jahr nicht auf der anderen seite?“). Nach dem neunten Versuch hat man nicht nur den Baum um ein knappes Kilo Nadeln erleichtert sondern auch ein Gefühl für die Länge der Kette entwickelt und selbst die Steckdosen sind wieder da wo sie schon vor Jahren montiert wurden.
Gegen Abend versammelt sich die Familie um das aufgestellte Gehölz und beginnt mit dem Schmuck. Teures Geschmeide, über Generationen vererbt und verliehen, wird zusammengekarrt und die alljährliche Diskussion um die Farbe der Dekoration („Wie schmücken wir ihn dieses Jahr? Rot, Gold, Grün oder gestreift?“) ist längst vergessen. Nicht so in vielen anderen Familien wo zu dieser Zeit ob so schwieriger Entscheidungen die Scheidungsrate bedrohlich ansteigt! Den Abschluss macht, wie jedes Jahr, die Baumspitze die – natürlich – immer noch im Keller liegt.
Der Baum ist geschmückt, die betriebsame Hektik abgeklungen und die Tanne steht majestätisch und hell erleuchtet an dem ihr zugedachten Platz. Die hübsch verpackten Geschenke werden in Erwartung der Bescherung bereits unter den Baum gelegt und langsam kehr Ruhe ein.
Eigentlich ist Weihnachten gar nicht so übel!
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Des Deutschen liebster Brauch zur Weihnachtszeit ist – neben dem gemeinschaftlichen Verzehr verkohlter Bratwürste in Naturmdarm und dem trinken von erhitzten alkoholisierten Weinsurrogaten – das aufstellen immergrüner Pflanzen im Wohnzimmer um sie anschliessend mit allerlei Buntem und glitzernden Zierrat zu behängen. Richtig. Die Rede ist vom Weihnachtsbaum.

Bei winterlichen 10 bis 18 Plusgraden liegt der entwurzelte Vertreter der nordischen Nadelhölzer eng zusammengebunden auf dem Balkon und harrt der Dinge die da kommen. Vor einigen Tagen wurde er aus einer Schar gleichartiger Artgenossen zu einem jährlich steigenden horrenden Preis einem der Fachverkäufer abgekauft welche ihre Claims mit Bauzäunen vom normalen Stadtgeschehen abstecken. Die Preisgestaltung und das Auftreten der verschiedenen Anbieter lässt allerdings vermuten das sie alle einer gemeinsamen Weihnachtsbaummafia angehören deren erklärtes Ziel der Ruin des weihnachtswilligen ist. Zähneknirschend blättert man dem Verkäufer den Gegenwert eines moderaten Kleinwagens in die aufgehaltene Hand („Wo hat der eigentlich seinen Tresor im Bauwagen versteckt?“) und zieht mit seinem erwählten Stamm von dannen.

Am Tag vor Heiligabend beginnt – irgendeiner Tradition folgend deren Ursprung längst vergessen ist – das Ritual „des Baum schmückens“, übrigens nicht zu verwechseln mit dem Ritual „des Baum drückens“ und dem Brauch „des sich verdrückens“. Unser Protagonist wird in das Wohnzimmer gezerrt und von seiner Knebelung befreit. Aus Protest ob dieser ersten groben Behandlung verliert dieser dann auch gleich seine ersten Nadeln.

Traditionell ist der Baum natürlich deutlich zu groß für die Wohnung. Wie soll man auch nach all den Jahren das Wohnzimmer von der Größe und Höhe her abschätzen können? Nun, der gewiefte Baumaufsteller hat stets eine Kettensäge oder Spaltaxt im Wohnzimmerschrank bereit liegen und kürzt die Tanne flux um den ein oder anderen Meter auf eine Wohnzimmerdecken-freundliche Höhe ein.

Wer kennt nicht den Ausdruck „unser Baum strahlt“? Um diesem Ausdruck Nachdruck zu verleihen muss unser Vertreter der dänischen Import-Nordmanntanne erst einmal mit der – wie immer – viel zu kurzen Lichterkette behangen werden. Neben der logistischen Höchstleistung eine 120cm lange Lichterkette („Sind eigentlich alle Birnchen in Ordnung, heute können wir keine Ersatzfunzeln mehr kaufen?“) um einen 200cm langen Baum zu hängen, droht stets die Gefahr das der Anschluß für den lichtspendenden Strom plötzlich nicht mehr in Reichweite ist („War die Steckdose letztes Jahr nicht auf der anderen seite?“). Nach dem neunten Versuch hat man nicht nur den Baum um ein knappes Kilo Nadeln erleichtert sondern auch ein Gefühl für die Länge der Kette entwickelt und selbst die Steckdosen sind wieder da wo sie schon vor Jahren montiert wurden.

Gegen Abend versammelt sich die Familie um das aufgestellte Gehölz und beginnt mit dem Schmuck. Teures Geschmeide, über Generationen vererbt und verliehen, wird zusammengekarrt und die alljährliche Diskussion um die Farbe der Dekoration („Wie schmücken wir ihn dieses Jahr? Rot, Gold, Grün oder gestreift?“) ist längst vergessen. Nicht so in vielen anderen Familien wo zu dieser Zeit ob so schwieriger Herausforderungen die Scheidungsrate bedrohlich ansteigt! Den Abschluss macht, wie jedes Jahr, die Baumspitze die – natürlich – immer noch im Keller liegt.

Der Baum ist geschmückt, die betriebsame Hektik abgeklungen und die Tanne steht majestätisch und hell erleuchtet an dem ihr zugedachten Platz. Die hübsch verpackten Geschenke werden in Erwartung der Bescherung bereits unter den Baum gelegt und langsam kehrt Ruhe ein.

Eigentlich ist Weihnachten gar nicht so übel!

Vor ziemlich genau 5 Jahren, am 22.12.2005 habe ich damals diesen Beitrag für ein Berliner Magazin geschrieben. Heute, mit gut 1814 Tagen und knapp 3000 Kilometern  Abstand  hat die Geschichte für mich immer noch einen gewissen Reiz.