Etwas Warmes braucht der Mensch. Wie wär’s mit einem Teller Suppe? Eine Tomatensuppe ist ganz was Feines. Manchmal so fein und besonders dass sie sogar als Pulver in Alubriefchen gehandelt wird. Damit ist die Zubereitung kinderleicht: Beutel öffnen, mit Wasser verrühren, einmal kurz aufkochen und der Hungrige darf eine fixe „Feinschmeckeridee der Meisterklasse“ auslöffeln!

Marketing und Vertrieb der Konservenhersteller bewerben ihre Instantprodukte oft als „Kreation nach Hausfrauenart“ unter Verwendung geheimer Rezepturen die schon einst unsere Großmutter nur unter vorgehaltener Hand vererbt hat. Aber ganz so geheim ist eine solche „Industrie-Rahmenrezeptur“ dann doch nicht. Und die spricht für sich.

Man nehme für ein Kilo Tomatensuppen-Instantpulver:

Tomatenpulver, 140 g: Die besseren Tomaten werden gepellt und eingedost; die restlichen zerkleinert, erhitzt, von Schalen und Samenkernen befreit und dreifach konzentriert. Dieses Konzentrat wird mit viel Energie im Sprühturm zu Pulver getrocknet und unter Stickstoffbegasung in Kunststoffsäcke abgefüllt.

Zucker, 115 g: Reife Tomaten schmecken süß. Mit Zucker schmecken alle, aber auch wirklich alle Tomaten wie „sonnengereift”. Außerdem befriedigt Zucker ketchupverwöhnte Kindergaumen.

Salz, 100 g: Bringt viel „Geschmack“ für wenig Geld.

Brösel, 50 g: Diese schwer erkennbaren – oblatenähnlichen – Krümel quellen in heißem Wasser zu einer „tomatenfleischartigen“ Konsistenz. So schmeckt man „echte“ Tomatenstückchen mit dem eigenen Gaumen. Die Brösel bestehen vor allem aus Mehl, Stärke und etwas – welch Wunder – Tomatenpulver.

Capsanthin & Capsorubin, 5 g: Die aus Paprika gewonnenen Farbstoffe verleihen der Suppe den „Tomatenteint”.

Kräuter, 5 g: Gefriergetrocknete Kräuter sind wichtig fürs Auge. Man soll die Kräuter auch sehen deren Aromen man schmeckt.

Zitronensäure, 25 g: Sie wird großtechnisch von Schimmelpilzen erzeugt, mit Kalkmilch aus der Nährlösung gefällt, danach mit Schwefelsäure wieder freigesetzt und mit Ionenaustauschern gereinigt. In der Suppe unterstützt sie die „fruchtige“ Note des Tomatengeschmacks.

Trinatriumcitrat, 15 g: Die mit Natronlauge umgesetzte Zitronensäure dient hier als Säureregulator.

Aromaextrakte, 3 g: Die analytisch kaum durchschaubare Mixtur aus physikalisch-chemisch-biotechnologisch gewonnenen Aromastoffen verleiht der Mischung Tomaten- und Kräuternoten.

Proteinhydrolysat, 25 g: Das ist „Würze”, also in Salzsäure oder mit Enzymen aufgelöste Eiweißreste.

Natriumglutamat, 20 g: Dieser umstrittene Geschmacksverstärker wird erforderlich, wenn’s am Geschmack hapert.

Inosinat, 1 g: Verstärkt den Geschmacksverstärker Glutamat.

Guanylat, 1 g: Verstärkt den Verstärker Inosinat.

Spezialfett, 100 g: Das fertige Fett wird in Tankzügen bei etwa 65 Grad Celsius flüssig angeliefert und unter Stickstoff gelagert. Vor dem Zumischen wird es auf Kühlwalzen zum Erstarren gebracht, abgeschabt und zudosiert. Das Fett soll Geschmack und „Mouthfeel“ verbessern. Es enthält gewöhnlich nicht kennzeichnungspflichtige Antioxidantien und Emulgatoren wie E 307, E 312, E 472.

Quellstärke, 220 g: Sie ist verantwortlich für die enorme Saugfähigkeit des Pulvers, das durch sie nach dem Aufquellen eine soßenartige, sämige Konsistenz erhält. Statt gewöhnlicher Stärke werden physikalisch oder enzymatisch modifizierte Stärken bevorzugt.

Maltodextrin, 175 g: Das ist ein billiger Füllstoff, damit’s nach mehr im Tütchen aussieht. Die enzymatisch oder mit Salzsäure „vorverdaute“ Stärke wird manchmal mit Milchzucker gestreckt.

Ein Kilo dieser kulinarischen High-Tech-Kreation reicht satt für etwa 50 Teller die wie leckere Tomatensuppe schmecken. Glauben Sie aber nicht dass der Hersteller Ihnen ein so ausführliches Rezept auf der Packung verraten würde. Dort steht kleingedruckt statt dessen eine Zutatenliste, die beinahe nach „Hausfrauenart“ klingt:

Tomaten, Stärke, Zucker, Fett (z.T. gehärtet), Salz, Weizenmehl, Säuerungsmittel Zitronensäure, Aroma, Geschmacksverstärker (E 621, E 627, E 631) Kräuter und Gewürze, Paprikaextrakt.

(Quelle: „Wohl bekomm’s! Was Sie vor dem Einkauf über Lebensmittel wissen sollten“. Von Udo Pollmer & Brigitte Schmelzer-Sandtner, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001.)